Marina Belobrovaja

WARM-GLOW

WARM-GLOW
1. Januar 2014

Eine Gruppe aus Schweizer Politiker:innen, Journalisten und Tourist:nnen begibt sich im Rahmen einer organisierten Reise in die atomverseuchte Sperrzone von Tschernobyl. Dort besuchen sie Betroffene, werden auf einen Willkommensgruss bei der Stadtverwaltung empfangen, wohnen einer Trauerzeremonie zum 25. Jahrestag der Havarie bei und begeben sich auf einen Ausflug in die verlassene „Geisterstadt" Prypjat. 5 Tage lang begleite und befrage ich die Reisenden auf ihrer Tour und konzentriere mich dabei auf deren persönliche Wahrnehmung, Wünsche, Ängste und Erkenntnisse.

Der Film WARM GLOW wurde mit einem Smartphone gedreht.
Dieses profane technische Equipment ermöglichte es mir, mich als ein „normales" Reisemitglied unter die Reisenden zu mischen.

Als die Reisegruppe im April 2011 in die Ukraine aufbricht, ahnt kaum jemand, dass sich mit dieser Tour ein historischer Beschluss des Schweizer Parlaments in Hinblick auf den Atomausstieg ankündigt.

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Ich bin 1976 in Kiew geboren und kann mich – damals neunjährig – heute noch in allen Einzelheiten an die Ereignisse des 26.04.1986 erinnern, die die Geschichte meiner Familie so einschneidend geprägt haben. Als ich zum ersten Mal von den touristischen Ausflügen nach Tschernobyl erfuhr, reizte es mich sogleich – mit einer Mischung aus Neugierde einer Künstlerin gepaart mit der Erinnerung an die Furcht der unmittelbar Involvierten – eine solche Tour aus der Perspektive der Reiseteilnehmenden zu dokumentieren und der Frage nachzugehen, warum sie, sich über jegliche gesundheitliche und moralische Bedenken hinwegsetzend und einen hohen finanziellen Aufwand nicht scheuend, aus freien Stücken an den Ort reisen, aus dem Menschen unter panischer Angst alles zurücklassend geflohen sind.

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Der Begriff Warm-Glow wurde in den späten 1980er Jahren von dem Ökonom James Andreoni eingeführt, dem zufolge altruistisches Verhalten letztlich einen Mehrwert für den Gebenden bewirkt, indem er ein gutes Gefühl und somit einen immateriellen Nutzen generiert. Es wird einem sozusagen warm ums Herz, wenn man hilft, spendet oder anderweitig altruistisch handelt. Warm-Glow ist, so Andreoni, letztlich auf ein egoistisches Motiv zurückzuführen.

Andreoni, James: „Impure Altruism and Donatations to Public Goods: A Theory of Warm-Glow", in: The Economic Journal, Heft 401 (1990)

Sprache: Deutsch, Russisch